Es nervt!

Die hohe Kunst des Werbeschleuderns

Es ist jeden Tag dasselbe. Ich öffne meine E-Mails und pling pling – grinst mich die nächste Werbe-Email an, mit einem Super-Sonder-Wahnsinns-Aktions-Angebot. Nur noch heute, exklusiv und extra für mich. Um Missverständnissen gleich den Hahn abzudrehen: das ist kein Spam. Im Laufe der Jahre (oder besser Jahrzehnte), die ich jetzt im weltweiten Web surfe, habe ich natürlich mal dem ein oder anderen Werbetreibendem meine E-Mail-Adresse übergeben. In vollem Bewusstsein und freiwillig. Einige Produkte und Dienstleistungen sagen mir halt einfach zu. Ich bin manchmal interessiert an Schnäppchen und neuen Funktionen. Das ist etwas ganz Menschliches. Sagt mir die Werbung allerdings nicht zu, dann lösche ich die E-Mail einfach. Aus den Augen, aus dem Sinn. So einfach ist das.

Im Schleudergang

Wären da nur nicht einige Werber*Innen, die das Senden von E-Mails für Leistungssport halten. Was die schwitzen und sich beim Texten die Finger wundtippen! Immer neue Betreffzeilen, immer neue Wortspielereien, Wortneuschöpfungen, ja sogar mit menschlichen Grunz- und Quiek-Geräuschen versuchen sie meine doch ziemlich begrenzte Aufmerksamkeit zu erhaschen.

So zum Beispiel ein Bekleidungsunternehmen (es beginnt mit H). Es schickt mir seit nunmehr 2 Jahren nahezu jeden Tag (!) eine Werbe-Email. Mal geht es um 20% Rabatt auf die neuesten „Fashion Highlights“, mal geht es um „atemberaubende“ Bademoden-Artikel. Jeden Tag. Besonders kreativ sind dann auch die Betreffzeilen. „HUUURRAAA, es ist Wochenende“, „liiiich möchte Süßes“ (sic!), „KALT KALT KALT“ oder „SÜß, aber gruselig, ABER Süß“.

Nun ja. Weder springe ich himmelhochjauchzend in die Luft, noch grusele ich mich beim Anblick solcher Claims. Und schon gar nicht bei diesen Angeboten. Selbst wenn ich mich ganz stark auf mich selbst konzentriere und ganz dolle in Erinnerungen surfe – ich kann mich nicht daran erinnern, jemals „liiiich möchte Süßes“ mit solch einem lautmalerischem Kreisch davor gedacht zu haben. Klar, wer kennt nicht das Gefühl Heißhunger auf Süßes zu haben? Aber in Gedanken dabei laut kreischen? Nun ja…

YEAH!!!!

Klar, das wiederholte Betrachten einer positiv formulierten Werbebotschaft führt zur besseren Erinnerung. Pädagogen sprechen von Lernen durch Wiederholung. Und je mehr ich mich daran erinnere, desto positiver nehme ich das Beworbene dann wahr. Menschen kaufen positiv erlerntes. Natürlich auch wenn sie es manchmal nicht glauben wollen. Das funktioniert bewusst, unterbewusst und mit allen fünf Sinnen. Die Macht der Gewohnheit grüßt.

Meine Werbeschleuder wirkt aber bei mir nicht. Mich nervt die tägliche Dosis an Emotionspush. Ein innerer Widerstand kommt in mir hoch. Ein Zuviel an Wiederholung verdreht die beabsichtige Wirkung in ihr absolutes Gegenteil. Nach dem Motto: Jetzt kaufe ich erst recht nicht dort ein. Eigentlich, ja eigentlich sollten Werbetexter, Content-Manager und deren Verwandte das doch wissen? Ja, eigentlich. Die Masse an Text macht es nicht, vielmehr kommt es auf dessen Qualität an.

Wohl dosiert, denn dann wirkt WENIGER meeehhhrrr!!!!! YEAH!!!!