Mit aller Macht

Behördensprache

Beginnen wir mit einem Satz, so wie er in vielen Mitteilungen und Bescheiden deutscher Behörden auftauchen könnte:

„Abschließend werden Sie noch einmal auf die Erfordernisse einer fristgemäßen Überweisung der angegebenen Summe vom festgestellten Erstattungsbeitrag hingewiesen.“

Solche Formulierungen variieren vielfach – je nach Inhalt und Zweck. Aber sie dürften den meisten von uns seltsam bekannt vorkommen: kompliziert-unverständliche Sätze, die keiner mehr versteht. Selbst nach dreimaligem Lesen nicht. Interessanterweise wird dies jedoch in den vielen Internet-Foren und Blogs, wo einzelne solcher Schreiben bis ins kleinste Detail ausdiskutiert werden, als Tatsache hingenommen. Es wird mehr das Für und Wider der Inhalte an sich diskutiert. Dabei scheint besonders der Ritt auf Paragrafen inhaltliche Diskussionen geradezu anzuheizen.

Aber über die Form, also über das „Wie“, finden sich in den Weiten des Internets nur wenige Beiträge. Das verwundert ein wenig, denn heißt es nicht landläufig, der Ton mache die Musik? In den bundesweiten Debatten, und zwar vor allem die, wo sich alles um Sozialpolitik dreht, geht es in der Regel um das „Was“ und nicht um die Sprache. Aktuelles Beispiel: Die Diskussion um die Hartz-4-Gerechtigkeit oder -Ungerechtigkeit; je nach Blickwinkel. Aussagen des Gesundheitsministers Jens Spahn, Hartz 4 bedeute nicht Armut, lösten zwar zurecht ein mediales Echo aus, jedoch konzentrierte sich ein Großteil der bisher darauffolgenden Diskussionen nur darauf, ob dessen Höhe zum Leben ausreiche oder nicht.

Die Macht der Sprache

Im alltäglichen Umgang mit anderen dient unsere Sprache der Verständigung. Aber Sprache kann auch Macht bedeuten. Zum Beispiel eine Macht, wie sie Juristen durch ihr Fachwissen besitzen. Erkennbar ist sie dann am Juristen-Deutsch, einer formal-klausulierten Varietät des Deutschen. Sie führt bei Nicht-Beherrschung schnell zu Unsicherheit. Für Juristen jedoch erfüllt sie auch den Zweck, Unkundige auf sprachliche Distanz zu halten. So wird hauptsächlich in der Kommunikation von Jurist zu Jurist genutzt. Ähnlich verhält es sich mit der Behördensprache. Auch sie ist offensichtlich rechtsicher formuliert. Bei den Adressaten handelt es sich aber hier nicht um Juristen, sondern um einen bunten Querschnitt der Bevölkerung.

Das alleine ließe sich ja noch der Kategorie „mangelndes Zielgruppenverständnis“ zuordnen. Wäre da allerdings nicht der Eindruck, dass einige Texte an bestimmte Adressaten besonders „hart“ formuliert sind. So zum Beispiel Einladungen oder Bescheide an sozial Bedürftige. Die Rollenverteilung ist klar: Staat versus Bürger. Ich oben, du unten. Generell sprühen viele Behördenschreiben trotz Einhaltung von Anrede- und Grußformeln vor Unpersönlichkeit („hat gestellt“, „wurde entsprochen“, „wurde erteilt“). Abstrakte Begriffe („Rechtsbehelfserklärung“) und gleich ganze Ketten an Paragrafen, deren direkter Informationsgehalt für Otto-Normalmensch gleich Null ist, erschweren das Verständnis solcher Texte. Besonders die Paragrafen, die nicht etwa am Ende eines Satzes oder in zum Beispiel in der Fußnote stehen, behindern den Lesefluss. Es ist paradox, aber um einen solchen Satz überhaupt in seinem ganzen Inhalt zu erfassen, müssen die mitten im Satz platzierten Paragrafen erstmal überlesen werden.

Vor allem die Schreiben einiger Sozialbehörden werden als bedrohlich empfunden. Und tatsächlich, es gibt sprachwissenschaftliche Modelle, die genau diese Problematik darstellen: den Grad der Höflichkeit. Und der variiert: von Behörde zu Behörde, von Ort zur Ort. Mit amtlichen Nachdruck („mangels“, „gemäß“ „erforderlich“) ist es nicht getan, vielmehr enthalten selbst positive Bescheide der Sozialbehörden „Belehrungen“. Diese erinnern ein bisschen an amerikanischen Filmen, an das Recht, die Aussage zu verweigern. Höfliche Begriffe, wie „Bitte“, „leider“ oder „danke“ fehlen hingegen: „Hier sehe ich leider keine Möglichkeiten“. Wie soll da ein Vertrauen aufgebaut werden? Das es nicht so schwierig ist, zeigen die „Leitsätze für eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache“ aus Wiesbaden:

„Abschließend danken wir Ihnen für eine fristgemäße Überweisung der angegebenen Summe.“

Der Inhalt ist rechtlich exakt derselbe, wie im eingangs erwähnten Zitat. Er ist lediglich einfacher und höflicher formuliert. Vielleicht sollten wir im Umgang mit sozial Schwachen einfach mal unsere Sprache ändern. Das ist gar nicht mal so schwer und bedarf in der Regel auch keinen politischen Konsens.

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