Fühle ich mich etwa gerade wie ein schwerkranker Victor Frankenstein, der aus leblosem Stoff ein tödliches Monster erschuf? Eher nicht, aber unwirklich ist das, was ich da erschuf, dennoch. Es wäre aber zu viel der Kreativität, mein Wesen als Monster zu betiteln. Er wirkt eigentlich recht harmlos und heißt Jimse Panse. Jimse sieht aus wie die Karikatur eines in die Jahre gekommenen amerikanischen Waldarbeiters, mit einer schönen großen Trinker-Nase. Schielen tut er und seine Arme wirken etwas merkwürdig deformiert. Durch die Brille, die Jimse trägt, strahlt er aber auch etwas Nachdenkliches, vielleicht sogar Belesenes aus.
Jimse erschuf ich in etwa 3 Minuten. Oder waren es doch nur 2?
So ungefähr 5 Anläufe, 5 Wörter und 5 Sekunden lang spielte ich Gott. Eigentlich wollte ich aber keinen Jimse. Ich wollte einen Affen mit Heiligenschein haben, der direkt ins Bild grinst. Der den Widerspruch zwischen Show und Wirklichkeit aufzeigt. Eine Schere, die inhaltlich auseinanderklafft, einen Widerspruch in sich, mit dem sich in der Gestaltung von Bildmotiven so viel Spannung erzeugen lässt. Heraus kam: Jimse Panse. Auch er erzeugt Spannung. Sein „m“ mit vier statt drei Füßen fällt sofort in den Blick.
Künstliche Intelligenz
Zum Glück benötigte ich für die Erschaffung von Jimse weder ein Biologie- oder Medizinstudium noch einen Tisch, Instrumente oder einen Operationssaal. Im 21. Jahrhundert geht das so: Ich erstelle einen Account bei einem Anbieter künstlicher (Bild-)Intelligenz, spiele ein bisschen mit den doch in der Anzahl recht überschaubaren Bildwerkzeugen herum, drehe den Grad meines Verstandes eine Stufe höher und taadaa! Fertig ist der Jimse. Nicht Jim, sondern Jimse! Da bestehe ich jetzt drauf.
Ich gebe zu, dass ich den fertigen Jimse danach farblich noch ein bisschen veränderte. Schließlich soll sich sein Portrait geschmeidig in das Corporate Design meiner Webseite anpassen. Ansonsten beließ ich ihn aber so, wie er ist. Er ist ein Original. Er ist mein Original.
Grins!
Auch wenn Jimse nicht so nach Frankensteins Monster aussieht, könnte mir jetzt angst und bange werden. Wer beauftragt mich denn in Zukunft überhaupt noch zu gestalten, zu texten, zu kreieren? Geht doch jetzt alles einfach per Mausklick in 5 – 4 – 3 – 2 – 1 Sekunden? Einfach mal eben in den Gottmodus switchen! Na, mit Schwarzmalerei habe ich es aber eigentlich nicht so. Veränderungen wird es nicht nur geben, sie gab es auch immer schon. Wäre Jimse das geworden, was ich in meinen Kopf ausmalte, hieße er Jim, hätte gegrinst und hätte einen Heiligenschein. Und er wäre ein echte Jimpanse, kein Mischwesen.
Ich höre ihn schon, den Einwand: „Aber KI (Kürzel für Künstliche Intelligenz) ist doch gerade erst am Anfang? Warte nur mal ein paar Jahre ab!“ Ok, vielleicht wird mein Jimse Panse in fünf Jahren zum ja wirklich zum gewitzten Affen mit Heiligenschein. Aber solange ich der KI meine kreativen Ideen nicht mitteile, solange wird die KI auch in 5 Jahren nicht ans Werk gehen. Ohne mein persönliches Zutun passiert erstmal gar nichts.
Auch den visuellen Zeichenstil von Jimse habe ich mir nicht ausgesucht. Diesen zu verändern geht zwar von der leichten Hand, aber es ist immer noch ein Kind von Vater Zufall und Mutter „Womit-habe-ich-die-KI-überhaupt-gefüttert-und-trainiert“. Die Portion Kreativität ist eben kein Standardfutter. Sie ist einmalig. Jimse, ich mag dich. Die Sonne scheint, lasse uns einen Kaffee trinken.
P.S.: Wie das in 50 oder 500 Jahren aussieht, weiß ich nicht….aber das ist dann eine Frage, die sich zukünftige Generationen stellen müssen.