Mach dich nützlich!

Das Märchen der rationalen Entscheidung

Einst schrieb Schiller: Nur vom Nutzen wird die Welt regiert. Schaut unsereiner jedoch in die täglichen Nachrichten, so kommen sehr schnell gute und berechtigte Zweifel, ob wir wirklich immer nur rational und nutzenorientiert denken und handeln. Ob alles wirklich so nützlich ist, wie wir uns das vorstellen.

Nutzen ist ein Kernbegriff in der Wirtschaft. Er gilt als das Maß der Befriedigung unserer Bedürfnisse. Zum Beispiel Bedürfnisse nach Sicherheit, Anerkennung, Kontrolle oder Ästhetik. Eigentlich hat jeder Mensch Bedürfnisse, sie sind nur bei jedem mehr oder weniger unterschiedlich ausgeprägt. Wir alle haben irgendwann Hunger, aber nur einige haben auch das Bedürfnis, sich kreativ zu entfalten. Wenn nun ein Produkt oder eine Dienstleistung bei möglichst vielen Menschen bestimmte Bedürfnisse befriedigt, dann – so die Theorie – verhalten wir uns dementsprechend. Wir geben dann zum Beispiel Geld dafür aus. Oder fachlich ausgedrückt: Wir konsumieren.

Dieser Überlegung nach sind wir alle Nutzenmaximierer, auch „homo oeconimicus“ genannt. Er taucht häufig in wirtschaftstheoretischen Modellen auf, die zur Berechnung und Vorhersage unseres Verhaltens, etwa bei der Wahl verschiedener Kaufangebote, dienen. Sicher, auch irrationales Verhalten wird berechnet. Allerdings gelingt dies nur in Ansätzen, da wir alltäglich hunderten Faktoren unterliegen, die Wahrnehmung, Denken, Gefühle und Handeln beeinflussen.

Ob wir etwas wirklich als nützlich für uns bewerten oder nicht, hängt nicht nur davon ab, ob wir unsere Bedürfnisse tatsächlich befriedigen, sondern auch davon, ob wir daran glauben. Es gibt eine Vielzahl an psychologischen Prozessen, die unsere Welt in unserer Wahrnehmung verzerren. Sie ist ein großes Konstrukt aus Informationen, Verknüpfungen und Gefühlen.

Wir handeln irrational

Ein Beispiel: Angelique Kerber bewirbt seit nunmehr zwei Jahren den Versicherungsdienstleister Generali. Dessen Slogan lautet: „Aus Versicherung wird Verbesserung“. Es geht um das Bedürfnis nach Sicherheit. „Verbesserung“ zielt auf Leistungssteigerung ab. Nicht jeder hat die Zeit, geschweige denn das Interesse, gleich dutzende Angebote konkurrierender Versicherungsdienstleister unter die Lupe zu nehmen und bis ins kleinste Detail miteinander zu vergleichen, um den optimalen Nutzen für sich herauszuholen. Ein detaillierter Vergleich ist kompliziert und zeitintensiv. Kurz: Es ist viel zu anstrengend. Genau deshalb werben Unternehmen wie Generali mit erfolgreichen Sportlern. Angelique Kerber ist durch ihre mittlerweile drei gewonnen Grand-Slam-Titel sehr erfolgreich. Sie stand bisher 34 Wochen lang als Nr.1 an der Spitze der Tennis-Weltrangliste. Ihr wird dadurch zugetraut, zu wissen, wie sich Leistung verbessern lässt. Generali erhofft sich nun durch die Werbekampagne mit Kerber, dass sich die allgemein positive Wahrnehmung ihrer Leistung auf das Angebot von Generali überträgt. Sprich: Die Versicherung ist die Beste, genauso wie Kerber die Beste im Tennis ist.

Eigentlich ist eine solche Entscheidung irrational, da Kerbers Leistung gar nichts über die Leistung von Generali aussagt. Wenn sich aufgrund der Werbekampagne Menschen für Generali entscheiden, dann handelt es sich um eine gefühlsmäßige und keine rationale Entscheidung. Psychologen haben mittlerweile Hunderte von Effekten erforscht, wie unsere Wahrnehmung und unsere Urteilsfähigkeit in allen erdenklichen Situationen verzerrt wird. Nicht der Nutzen reagiert die Welt, sondern der Glaube daran.