„Mit solchen Mitteln arbeiten Deutschlands Feinde.“ Fein säuberlich aufgereiht liegen Sie nun dort. Nummeriert von 1 bis 13 und aus jeder erdenklichen Perspektive abgelichtet zeugen sie vom Schrecken, der sich im Anbetracht des Krieges breitmacht. In der indischen Stadt Dum-Dum entwickelt, erhofften sich britische Militärs im ersten Weltkrieg eine noch tödlichere Wirkung ihrer Dum-Dum-Geschosse. Das war für die deutsche Kriegspropaganda jener Zeit ein gefundenes Fressen. Ein Thema, mit dem sich nach zwei Jahren Krieg die Massen mobilisieren ließen, oder? Eine Tatsache, mit der sich der deutsche Angriff auf Belgien legitimieren ließe? Und nicht ganz so offensichtlich wie die Darstellung der Russen als sittenlose und mordende Barbaren.
Im ersten Weltkrieg entfaltete sich erstmals in der Geschichte die Wirkung der Massenmedien als Instrument politischer Propaganda. Und so landeten auch die Dum-Dum-Geschosse samt zitierter Warnung auf einer Postkarte, die die moralische Verwerflichkeit ihrer Gegner suggerierte. Die Rollen waren klar verteilt: Wir sind die Guten und ihr seid die Bösen. Nicht, dass die Deutschen da die einzigen gewesen wären. Auch ihre Gegner entdeckten die politische Propaganda als Mittel, um die eigene Bevölkerung auf Linie zu bringen. Die Briten propagierten über deutsche Soldaten das Bild bestialischer Hunnen. Die europäische Kultur müsse vor ihnen geschützt werden. Bei den Russen ein ähnliches Bild. Dessen Kriegsgegner Deutschland, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich wurden zum Beispiel auf einem Plakat als dreiköpfiger Drachen dargestellt, der enthauptet werden müsse.
Viele Staaten gründeten im Laufe der Kriegsjahre eine Auslandspropaganda-Abteilung. Die Briten nannten ihres War Propaganda Bureau. Die USA gründeten 1917 ihr Committee on Public Information. Im Deutschen Reich war seit 1914 unter anderem die Zentralstelle für Auslandsdienst für Propaganda zuständig. Von den Beteiligten wurden Medien als Kriegsmittel verwendet, um die öffentliche Meinung im eigenen Sinne zu manipulieren. Ängste wurden gezielt ausgenutzt und Stereotype bedient, um mit aller Macht die eigene politische Agenda auch im Inland durchzusetzen.
Propaganda gleich Werbung?
Der erste Weltkrieg zeigte damit eindringlich, welche Macht manipulierte Informationen einem Staat verleihen, wenn er sie für sich nutzt. Später mitunter als psychologische Kriegsführung bezeichnet, sollte die politische Propaganda einen großen Einfluss auf die jüngere Weltgeschichte nehmen.
Bis heute ist sie besonders in autoritären und halbautoritären Staaten plakativ sichtbar. Hierzulande als Begriff negativ belegt, sprechen Parteien lieber von Kampagnen, Vereine von Öffentlichkeitsarbeit, Kirchen von Missionierung und Unternehmen von Werbung. Auch sie möchten die öffentliche Meinung oder die ihrer Zielgruppen in ihrem Sinne beeinflussen.
Wo liegen da die Grenzen? Auch die Werbung spricht Gefühle an, motiviert Käufer, spielt mit Stereotypen. Unternehmen, die nicht um die vielen Euros in den Geldbeuteln der Konsumenten buhlen, droht das Nachsehen. Sie erforschen mal etisch korrekt, mal etisch unkorrekt das menschliche Konsumverhalten und leiten daraus ihre Strategien in der Kommunikation ab. Sie sorgen sich um ihr Image, und setzen alles daran, diese in einem positiven Lichte erscheinen zu lassen. Und doch: Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit mit Propaganda gleichzusetzen wäre falsch. Sind die Grenzen im Einsatz gestalterischer oder sprachlicher Mittel noch fließend, so sind sie bei der Frage der Intention schon eindeutiger. Denn Propaganda dient der langfristigen Durchsetzung einer politischen Weltanschauung. Sie manipuliert die Zustimmung ihrer Zielgruppe, in dem sie diese emotional aufwiegelt. Nicht selten folgen Aggressionen gegen Andersdenkende oder einfach nur Mitglieder anderer Herkunft. Propagandisten täuschen unverhohlen mit falschen und undifferenzierten Informationen. Dabei ist sie oft patriotisch-moralisierend und auffordernd gestaltet.
Keine Frage, auch Unternehmen oder Vereine, die sich der Lobby-Arbeit verschrieben haben, scheuen nicht immer vor propagandistischen Ansätzen zurück. Wenn die Öffentlichkeit jedoch davon erfährt, sorgt das zumindest in unseren Breiten schon mal für einen handfesten Skandal. Da wäre zum Beispiel die Wulff-Affäre, die innerhalb weniger Monate zum Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten führte, unter anderem mit dem Vorwurf versuchter Einflussnahme auf die Medienberichterstattung. Trotz aller Überschneidungen geht es in der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung in der Regel nicht um eine derartige Ausgrenzung. Bei politischen Kampagnen gilt dies für gemäßigte Parteien meistens ebenso. Es ist immer eine Frage der Initiatoren und deren Motivation, was als politische Propaganda zu werten ist, und was nicht.
Propaganda war in früheren Zeiten nicht immer so negativ besetzt. Aber heute ist sie es. Aus gutem Grund.